Das Angebot an Robotic Process Automation (RPA)-Lösungen ist ausgesprochen vielfältig. Eine kurze Recherche liefert sehr schnell 30 und mehr Lösungen unterschiedlichster Herkunft, Ausstattung und Preiskategorie. Insofern stellt die Auswahl einer geeigneten RPA-Software durchaus eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Dabei sollten vor allem die Eignung der Software für den jeweiligen Einsatzzweck, die Anschaffungskosten sowie der Aufwand für Implementierung und Betrieb der Software eine Rolle spielen.
Die Eignung der RPA-Software lässt sich zunächst einmal an deren Funktionsumfang festmachen. Typische Module einer RPA-Software sind
- Macro-Recorder zur Aufzeichnung von Benutzer-Aktionen
- Process Analyser/Process Mining zur Analyse von Prozesslogiken und -häufigkeiten
- Prozess-/Regel-Editor bzw. Designer zur Formulierung und Visualisierung der Automatisierungsregeln
- Ausführungsumgebung bzw. Roboter-Client
- Management-Konsole zur Überwachung und Verwaltung der Software-Roboter
Im Hinblick auf die Breite des Einsatzgebietes (einfache statische Regelwerke vs. komplexe oder dynamische Regelwerke, strukturierte Daten vs. unstrukturierte Daten) ist zudem zu prüfen, inwieweit eine RPA-Software auf KI-Technologien zurückgreift. Und schließlich spielen bei der Eignung der Software deren Anpassbarkeit, technische Kompatibilität bzw. Integrierbarkeit in die bestehende Software-Landschaft (z. B. APIs) sowie nicht zuletzt die Anwendbarkeit der RPA-Software auch für Fachanwender ohne tiefe IT-Kenntnisse eine große Rolle (z. B. Templates, vorkonfigurierte Prozessbausteine und Low Code-Regeleditoren).
Viele der aufgeführten Aspekte beeinflussen gleichzeitig den Aufwand für die Einführung und den Betrieb der RPA-Software. Auch unter dem Gesichtspunkt der (Betriebs-)Sicherheit sollte schließlich die Verfügbarkeit von (externem) Lösungs- und Implementierungs-Know-how geprüft werden. Als Indikatoren können hier die Verbreitung der RPA-Software sowie die Größe eines Partner-Ökosystems des RPA-Anbieters dienen.
Notwendige Vorarbeiten
Die Automatisierung auf Aufgabenebene kann zu großen einmaligen Kosteneinsparungen führen. In der Regel beziehen sich diese auf sehr spezifische Bedingungen, unter denen Menschen an sich wiederholenden datenzentrierten Aufgaben arbeiten, hauptsächlich aufgrund des Fehlens von Schnittstellen für alte Legacy-Systeme. Vorzugsweise sind diese Aufgaben in Prozesse eingebettet, die für die nächsten fünf bis zehn Jahre fixiert sind. In den meisten Fällen sind Aufgaben jedoch Teil von Prozessen und Vorgängen, für die die Änderung das häufigste Merkmal ist. Durch eine genaue Bewertung der Prozesse, zu denen diese Aufgaben gehören, lassen sich problematische Bereiche in der Organisation identifizieren, in denen viel Aufwand für sich wiederholende Aufgaben verschwendet wird. Dann können Unternehmen sehen, ob diese Aufgaben über RPA teilweise oder vollständig automatisiert werden können.
RPA und Process Mining
Hier kann Process Mining RPA perfekt ergänzen, um einen breiteren Kontext zu bieten und zur Implementierung dieser Aufgabenautomatisierung beizutragen, was zu einer langfristigen nachhaltigen Geschäftswertschöpfung führt und die aktuellen Mängel einer kurzfristigen Perspektive vermeidet die nur auf einmalige Kosteneinsparungen ausgerichtet ist.
Beim Process Mining werden Geschäftsdaten analysiert, die in Form einzelner Prozessschritte digitale Spuren im Unternehmen hinterlassen, um auf diese Weise die tatsächlichen Abläufe in einem Unternehmen darstellen zu können. Dabei wird ein Prozess als eine Reihe logisch verknüpfter Prozessschritte beschrieben, die als Ereignisse aufgezeichnet werden können. Durch die Visualisierung der zusammengeführten einzelnen Prozessschritte ist es möglich, die in der Einzelbetrachtung nicht auffälligen Datenpunkte in ihrer Gesamtheit zu analysieren und beispielsweise Engpässe oder Muster zu erkennen, die Einfluss auf die Geschäftstätigkeit haben.
Process-Mining als Analysemethode bietet sich immer dann an, wenn einzelne Prozessschritte in IT-Systemen in Form der Prozess-Zusammengehörigkeit und des zeitlichen Ablaufs nachvollziehbar sind und in einem Ablaufprotokoll dokumentiert sind. Ein wesentliches Anwendungsfeld ist die Optimierung der Prozesse in Bezug auf Prozessstabilität, Prozesskosten und Durchlaufzeiten. Entscheidend sind eine ausreichende Fallzahl, ausreichend adressierbare Prozessabschnitte, die betrachtet werden können und die hohe Qualität der Daten, ausgedrückt in Einheitlichkeit, Vollständigkeit und Korrektheit, die die einzelnen Prozessschritte beinhalten. Denn nur dann lässt sich ein Kernprozess dokumentieren und die entsprechenden Abweichungen herausarbeiten, die zu Abweichungen in der Durchlaufzeit, erhöhten Kosten und Qualitätsverlusten beispielsweise führen.
Process-Mining wird in der Forschungsliteratur auch als „Automated Business Process Discovery“ (ABPD) bezeichnet und beschreibt dort Techniken, die der Erstellung, Beurteilung und Erweiterung von Prozessmodellen dienen. Das Process-Mining-Manifest der IEEE Task Force on Process Mining unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen drei Typen von Process-Mining-Techniken zur Modellierung:
- Discovery (Erkennung): Process-Mining-Techniken des Typs „Discovery“ werden eingesetzt, um Prozesse zu erkennen und Prozessmodelle zu erstellen.
- Conformance (Übereinstimmungsprüfung): Process-Mining-Techniken des Typs „Conformance“ ermöglichen eine Beurteilung der Konformität bestehender Prozessmodelle zu aktuellen Daten.
- Enhancement (Erweiterung): Process-Mining-Techniken des Typs „Enhancement“ kommen zum Einsatz, um bestehende Prozessmodelle zu erweitern.
Aus praktischer Erfahrung bietet sich durchaus eine Pareto-optimierter Analyse an und die Fokussierung auf zwei bis drei wichtige Prozessvarianten mit einem hohen Volumenanteil an, um sich nicht im Dickicht der Möglichkeiten zu verlaufen.
Üblicherweise müssen einige Felsbrocken bewegt werden, bevor das Prozessgold sichtbar wird. Besonders herausfordernd ist die Analyse in heterogenen IT-Systeme, weil die zu analysierenden Prozessdaten angesichts einer heterogenen IT-Landschaft in vielen Quellen und in redundanter, nicht konsistenter und uneinheitlicher Form vorliegen. Denn wenn die protokollierten Ereignisse nicht auf einer einheitlichen Beschreibung basieren, müssen die Log-Dateien erst einmal aufbereitet werden, was gegebenenfalls zu verfälschten Daten führt und in jedem Fall einen erheblichen Aufwand mit sich bringt. Bei der Einführung von Data-Mining-Systemen ist zu beachten, dass ein Zugang zu allen relevanten IT-Systemen möglich ist. Dies hat in der Regel die Schaffung von Schnittstellen zur Folge und eine aufwändige Konfiguration der betroffenen Systeme.
Hat das Unternehmen diese Hürden genommen, wird es belohnt mit einem hohen Grad der Automatisierung der Prozessmodellierung und einem wirklichkeitsgetreuen Abbild der Unternehmensprozesse. Durch eine entsprechende Visualisierung lassen sich Schwachstellen schnell erkennen und die Abläufe entsprechend anpassen und verändern.