Mittelständische Firmen sind die wahren Erfolgsträger der deutschen Wirtschaft. Sie unterscheiden sich von Großunternehmen nicht nur durch ihre Betriebsgröße, sondern auch durch spezielle qualitative Besonderheiten: spezifische Führungskultur, große Flexibilität, massive Innovationskraft. Damit das so bleibt, muss sich der Mittelstand aber dem Megatrend „Digitalisierung“ aktiv anschließen.
Status und Ansätze der Digitalisierung
Die zunehmende Prozess-Orientierung der Unternehmen in nahezu allen Branchen und die dafür erforderliche Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg machen die digitale Transformation für alle unverzichtbar.
Was Digitalisierung in diesem Zusammenhang konkret bedeutet: die Veränderung von Geschäftsmodellen durch die Verbesserung von Geschäftsprozessen aufgrund der Nutzung von modernen Informations- und Kommunikationstechniken.
Schluss mit den Digitalisierungs-Baustellen
Mittelständische Unternehmen müssen agiler, schneller und innovativer werden, um künftig mit globalen Konkurrenten Schritt halten zu können. Das beinhaltet auch, vorhandene Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen. Dabei gilt vor allem dieser Leitsatz: Nicht mehr Produkte stehen im Mittelpunkt, sondern die hohen Anforderungen der Kunden und deren Ansprüche an eine angenehme Customer Journey. Außerdem: Die eigenen Produkte müssen über zusätzliche Services und Angebote differenziert werden.
„Die künftige Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstands hängt in erheblichem Umfang davon ab, dass ihm die Digitalisierung gelingt und moderne, zukunftsfähige Geschäftsmodelle entstehen“, sagt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner. Zwar gebe es Fortschritte, „allerdings bleiben einige Baustellen, an denen die Wirtschafts- und Bildungspolitik ansetzen muss“. Als Beispiele nennt Zeuner fehlende IT-Kenntnisse, mangelnde Qualität der Internet-Verbindung sowie Fragen zur Datensicherheit oder Probleme bei der Unternehmensorganisation.
Mit den Herausforderungen der technologischen Transformation beschäftigt sich auf Bundesebene der Digitalrat. Das zehnköpfige Gremium mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung soll die Regierung beim Umgang mit dem digitalen Wandel beraten.
Deutsche Firmen nur im digitalen Mittelfeld
Internationale Vergleiche zeigen es leider deutlich: Deutschland nimmt bei der Digitalisierung nur eine Position im Mittelfeld ein. Im DESI-Indikator der Europäischen Union (Digital Economy and Society Index) liegt Deutschland auf Rang 14 innerhalb der 28 EU-Länder. Im Monitoring-Report Wirtschaft DIGITAL des BMWi rangiert Deutschland unter den zehn wichtigsten Standorten weltweit auf Rang fünf. Der Monitoring-Report kommt zum Schluss, dass Deutschland keine ausgeprägten digitalisierungsspezifischen Stärken aufweist. Symptomatisch für die Situation in Deutschland dürfte die in der Studie ermittelte, ausgeprägte Exportschwäche Deutschlands bei den Digitalisierungstechnologien sein.
Laut „Digitalisierungsbericht Mittelstand 2018“ von KfW Research gaben deutsche Mittelständler für ihre Digitalisierung im Jahr 2017 insgesamt knapp 15 Mrd. Euro aus. Dieser Wert nahm um rund 1 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr zu. Allerdings tut sich zwischen „klein“ und „groß“ eine Kluft auf: Große Mittelständler (50 und mehr Beschäftigte) investieren rund 24-mal mehr in ihre Digitalisierung als kleine Mittelständler (unter 50 Beschäftigte). Dies nährt die Gefahr, dass sich eine Spaltung des Mittelstands in große, stark digitalisierte Unternehmen und kleine, bei der Digitalisierung abgehängte Unternehmen entwickeln könnte.
Ein weiteres Ergebnis, zu dem der „Digitalisierungsbericht Mittelstand 2018“ kommt: Die Masse der mittelständischen Unternehmen schöpft die bestehenden Digitalisierungspotenziale nicht aus. Die Mehrzahl der Mittelständler hinkt dem Stand der Technik hinterher, rund die Hälfte können als digitales Mittelfeld bezeichnet werden. Diese Unternehmen nutzen einzelne Anwendungen digital vernetzter Information und Kommunikation, aber nur gut ein Viertel von ihnen verfügt über eine Digitalisierungsstrategie.
Ein Drittel der Mittelständler sind ausgesprochene Nachzügler. Selbst grundlegende digitale Anwendungen sind bei diesen Unternehmen nur unterdurchschnittlich verbreitet. Dagegen machen die digitalen Vorreiter lediglich knapp ein Fünftel der Mittelständler aus. Diese Unternehmen heben sich dadurch ab, dass sie bereits Industrie 4.0-Projekte umsetzen oder digitale Produkte und Dienstleistungen anbieten.
Digitalisierung im Branchenvergleich
Im Branchenvergleich zeigt sich, dass Unternehmen aus dem Wirtschaftszweig „wissensbasierte Dienstleistungen“ bei den Digitalisierungsambitionen die Spitzenposition einnehmen. Dazu zählen beispielsweise Mediendienstleister, IT- und Informationsdienstleister sowie Rechts-, Steuer- und Unternehmensberatungen. Knapp dahinter: das verarbeitende Gewerbe mit ausgeprägten Forschungs- & Entwicklungs-Ressourcen. Dazu gehören vor allem die Wirtschaftszweige Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie. Hier zeigt sich eine Parallele zur Innovationstätigkeit. Unternehmen dieser Ausrichtung liegen auch bei den Anteilen an Produkt- und Prozess-Innovatoren vorn.
Das Baugewerbe weist typischerweise ein niedriges Digitalisierungspotenzial auf. Insbesondere bei der unmittelbaren Leistungserbringung sind die Möglichkeiten zur Digitalisierung begrenzt. Als ein zentraler Digitalisierungsschritt gilt hier häufig der Einsatz von „Building Information Modeling“ (BIM). Die Sinnhaftigkeit des Einsatzes solcher Tools in kleinen und mittleren Unternehmen ist aber umstritten.
Im Mittelfeld des digitalen Engagements: Gastgewerbe, Verkehr und Lagerei sowie sonstiges verarbeitendes Gewerbe – etwa Metallerzeugung und -Bearbeitung, Herstellung von Bekleidung, Herstellung von Futtermitteln.
Was die Digitalisierungsvorhaben anbetrifft, hat der „Digitalisierungsbericht Mittelstand 2018“ folgende Einsatz-Szenarien ermittelt – und zwar gemäß ihrer angegebenen Bedeutung in dieser Reihenfolge:
- Digitalisierung des Kontakts zu Kunden und Zulieferern
- Erneuerung von IT-Strukturen, Etablierung neuer Anwendungen
- Aufbau von Know-how
- Reorganisation des Workflows
- Einführung neuer, digitaler Marketing- & Vertriebskonzepte
- Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen
Das Verfallsdatum von Geschäftsmodellen
Mittelständische Unternehmen haben seit jeher Geschäftsmodelle vertreten, die sich durch eine enge, auch persönliche Kundenbindung bei meist hoher Wertschöpfungstiefe auszeichnen.
Da die Unternehmensumwelt einem stetigen Wandel unterworfen ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die heutigen Geschäftsmodelle immer auch zukunftstauglich sind. Das wirft die Frage auf, ob auch für den Mittelstand digitale Geschäftsmodelle gangbare Wege darstellen. Im Rahmen der Geschäftsmodellthematik sind vor allem folgende Fragen zu klären:
- Gibt es eine digitale Transformationsstrategie und wenn ja, wie sieht diese aus?
- Welche Aktivitäten in der Wertschöpfungskette differenzieren mein Unternehmen von Wettbewerbern und wie digital sind diese?
- Welchen Mehrwert kann mein Unternehmen bieten, gegebenenfalls auf Basis der Digitalisierung?
- Wie kann mein Unternehmen digitale Kompetenzen innerhalb der Organisation besser nutzen?
Digitalisierung und Funktionsbereiche
Die Digitalisierung tangiert im Kern die Leistungsprozesse in Unternehmen. Nicht alle Aktivitäten innerhalb der Wertschöpfungskette sind jedoch gleichermaßen von der Digitalisierung betroffen. Das heißt: Der Wertschöpfungsbeitrag der Digitalisierung ist nicht für alle Funktionsbereiche gleich.
Die Wertschöpfungskette bietet einen vereinfachenden Analyse-Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeiten von Unternehmen. Allgemein betrachtet unterscheidet sie in primäre Prozesse und Unterstützungsprozesse. Diese klassischen Schemata werden im Kontext der Digitalisierung zunehmend aufgeweicht: Nicht nur die Strukturierung der Wertschöpfungskette an sich, sondern auch die einzelnen Aktivitäten sind einem Wandel unterzogen, der sich durch die Nutzung digitaler Technologien ergibt.
Der Faktor Produktion rückt im Vergleich zum Faktor Information immer stärker in den Hintergrund der Betrachtungen. Viele Unternehmen sind dabei, ihre Geschäftsprozesse, Kundenbeziehungen und ihr Angebot durch den Einsatz innovativer Informations- & Kommunikationstechnologien zu unterstützen und auszubauen. Sie betreiben eine digitale Wertschöpfungskette, eventuell ergänzt durch materielle Güter und Produktkomponenten.
Das Beratungshaus Ernst & Young hat in seiner 2018er Studie „Digitalisierung im deutschen Mittelstand“ analysiert, welche Bedeutung digitale Technologien respektive das Internet für die verschiedenen Funktionsbereiche der Unternehmen haben. In puncto aktueller Nutzungsgrad ergibt sich folgende Reihenfolge:
- Vertrieb
- Rechnungswesen
- Marketing
- Einkauf
- Service-Abwicklung
- Produktion bzw. Leistungserstellung
- Personal
- Strategieentwicklung
Ansätze für einen Digitalisierungsfahrplan
Es gibt Grundregeln und einige methodische Ansätze, die bei der Erstellung eines Digitalisierungsfahrplans helfen können – einige finden sich etwa auf der Informationsplattform „Mittelstand-Digital“, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ins Leben gerufen hat. Hier die wichtigsten Schritte, die Sie für die Entwicklung Ihrer individuellen Vorgehensweise absolvieren müssen:
Erstens: Ihr Unternehmen analysieren
Damit Sie den digitalen Wandel gezielt angehen können, prüfen Sie zuerst, welche der Bereiche, Strategien, Strukturen und Prozesse in Ihrem Unternehmen von der Digitalisierung profitieren können. Führen Sie einen Basischeck in den einzelnen Bereichen Ihres Unternehmens durch, zum Beispiel:
- in der Kommunikation: Die gesamte Kundenkommunikation (wie Bestellungen, Liefer-, Vertrags- oder Preisvereinbarungen) können Sie digital organisieren – zeit- und kostensparend.
- in der Logistik: Steuern Sie Einkauf, Transport sowie Lagerung und Bereitstellung von Rohstoffen und Endprodukten über EDV-Systeme – dadurch lassen sich Abstimmungsprozesse verringern und Kapazitätsengpässe vermeiden.
- bei den internen Prozessen: Kaufmännische Abläufe, Dokumentenverwaltung und Personalmanagement, aber auch Zugang zum Unternehmen und Zugriff auf Daten – durch digitale Prozesse können Sie Bürokratie abbauen und neue Ressourcen schaffen.
- in der Infrastruktur: Über sichere Verbindungen zum Unternehmensnetzwerk können Ihre Mitarbeiter von überall auf Informationen zugreifen – und dadurch auch flexibel auf Kundenwünsche reagieren.
- in der Produktion: Durch eine systematische Analyse und Vernetzung großer Datenmengen können Sie die Produktion effizienter gestalten. Außerdem lassen sich neue Produkte und Geschäftsmodelle leichter entwickeln.
Zweitens: den digitalen Reifegrad ermitteln
Wie weit ist Ihr Unternehmen gegebenenfalls schon digitalisiert? Eine ehrliche Status Quo-Betrachtung hilft Ihnen, die nächsten Schritte zu planen. Es gibt eine ganze Reihe von Tests, mit denen Sie den digitalen Reifegrad Ihres Unternehmens messen können und die Ihnen eine realistische Selbsteinschätzung ermöglichen. Dazu zählen:
Drittens: die entscheidenden Digitalisierungsschritte
Wenn Sie die digitale Reife Ihres Unternehmens kennen, wird es Zeit für die nächste Stufe: die Entwicklung des Digitalisierungsfahrplans. Anhand dieser Fragen können Sie Ihre individuelle Route erstellen:
- Machen Sie eine Bestandsaufnahme: Wo steht Ihr Unternehmen? Welche digitale Infrastruktur, die Sie ausbauen können, ist schon vorhanden? Wo müssen Sie neu ansetzen?
- Grenzen Sie den Handlungsbedarf ein: Welche Ziele möchten Sie durch die Digitalisierung Ihres Unternehmens erreichen, und was müssen Sie tun, um diese zu erreichen?
- Ermitteln Sie den technischen und personellen Bedarf für Ihr Vorhaben: Welche technische Ausstattung ist erforderlich? Wie können Sie Ihre Mitarbeiter in den Prozess einbinden? Welche neuen Fachkräfte wären für die Umsetzung notwendig? Benötigen Sie externe Unterstützung?
- Klären Sie, welche Kosten anfallen werden und wie Sie diese finanzieren. Wären Fördermittel von Förderbanken oder staatlichen Programmen für Ihr Vorhaben interessant?
- Planen Sie die Umsetzung: Prüfen Sie, welche Auswirkungen die Umstellung auf den Geschäftsbetrieb, aber auch die Auftraggeber und Abnehmer hat. Informieren Sie alle Beteiligten und bereiten Sie Führungskräfte und Mitarbeiter auf die Veränderungen vor.
Zukunftstrends im industriellen Umfeld
Der industrielle Mittelstand befindet sich inmitten einer Phase fundamentaler und weitreichender Veränderungen. Davon sind viele Bereiche und Geschäftsabläufe in den häufig hochspezialisierten Unternehmen betroffen – von der Produktentwicklung und Produktion, über Service und Vertrieb, bis hin zu den begleitenden Prozessen aus der Buchhaltung sowie den Bereichen IT und HR.
Das Schlagwort Digitalisierung gibt aktuell auch im Mittelstand die Richtung vor – und es subsummiert eine ganze Reihe von Technologien und damit verbundener Services. Ob Industrie 4.0, IIoT, Big Data, Data Analytics, KI oder Machine Learning: Mit diesen und weiteren Digital-Innovationen müssen sich mittelständische Unternehmen intensiv auseinandersetzen. Und es wird sich lohnen, weil Big Data & Co. erhebliches Potenzial für Prozessautomatisierung, die Steigerung von Effizienz und Customer Satisfaction und für die Erschließung neuer Wertschöpfungsbereiche bieten.
Die drei digitalen Wellen in der Industrie
Die digitale Transformation ist unaufhaltsam, das ist klar. Wie stark und grundlegend der Wandel einer Branche ausfällt, hängt jeweils ab von Wirkung, Skalierbarkeit und Durchsetzbarkeit digitaler Innovationen. Doch kann sich kein Unternehmen – egal ob groß oder klein – darauf verlassen, dass es seine Wertschöpfungskette unverändert beibehalten kann.
In der Studie „Die digitale Transformation der Industrie“ von Roland Berger Strategy Consultants wird anhand der Untersuchung von acht Branchen verdeutlicht, wie das Industriesegment von drei Wellen der digitalen Transformation erfasst wird – die erste davon vereinnahmt die beiden Industriezweige mit der relativ höchsten Bruttowertschöpfung in Deutschland und Europa. Die drei Wogen treffen zeitverzögert ein. Und eines steht fest: Die digitalen Transformationswellen betreffen und treffen die gesamte industrielle Landschaft.
Erste digitale Welle: Automobil- und Logistikindustrie
Die Automobilhersteller und ihre Zulieferindustrie befinden sich bereits mitten in der Transformation. Sie haben eine Reihe großer Programme angestoßen, etwa zur Einführung des IP-Protokolls im Fahrzeug. Es gibt kontinuierliche Fortschritte im hochautomatisierten und autonomen Fahren. Vor allem folgende Fragen haben entscheidende Bedeutung:
- Wer wird die digitale Kommunikationsschnittstelle mit Fahrer und Fahrzeughalter besetzen?
- Wem gehören die Daten, die im und am Auto entstehen?
- Welche Software-Standards im Fahrzeug setzen sich durch?
- Wie verändern hochautomatisiert fahrende Autos unsere Individualmobilität und unser Verhalten beim Autokauf?
- Wie lässt sich das Fahrzeug effektiv vor Cyber-Angriffen schützen?
Die Digitalisierung der Logistik ist heute weit fortgeschritten. Dennoch lässt sich bei der Organisation von Liefernetzen noch vieles weiter verbessern. Digitale Szenarien in der Logistik drehen sich zum Beispiel um folgende Fragen:
- Werden sich weltweite Automatisierungsstandards für einzelne Branchen oder industrieübergreifend durchsetzen?
- Wie weit können Anbieter von Fourth-Party Logistics die Kundenschnittstelle neu besetzen?
- Wie lässt sich die Agilität und Robustheit des Liefernetzes weiter stärken?
Zweite digitale Welle: Medizin-, Energietechnik, Elektroindustrie, Maschinen- & Anlagenbau
Die bedeutendsten digitalen Umwälzungen im Gesundheitswesen liegen vor allem in neuen Kontaktmöglichkeiten zum Patienten. Generell wird die Medizintechnik erheblich von digitalen Technologien profitieren. Das größte Potenzial bietet die verbesserte Diagnostik durch Auswertung aggregierter und anonymisierter Daten.
Die Elektroindustrie kann nicht nur als Hard- und Software-Lieferant für das Internet der Dinge profitieren. Denn mit der digitalen Leistungselektronik verfügt die Branche auch über einen Schlüssel zur effizienteren Nutzung von Energie. Größte Herausforderung ist die Standardisierung und Virtualisierung von IT-Plattformen in der Fabriksteuerung, denn damit halten IT-Risiken auch in der Produktion Einzug.
Der Maschinen- und Anlagenbau nutzt Industrie 4.0 auch für die eigene Produktion, bietet sie vor allem aber als Produkt für andere Industrien an. Noch offen ist allerdings, wann die breite Einführung stattfindet, welche Rolle dabei Standards spielen und wie attraktiv eine Nachrüstung von Maschinen und Anlagen gegenüber einem „Grüne Wiese“-Ansatz ist.
Unter den Schlagworten Smart Grid und dezentrale Energieerzeugung sind Hersteller von Energietechnik ebenfalls von der digitalen Transformation betroffen, etwa wo kleinere Anlagen zur Energieerzeugung und neue Netzstrukturen gefragt sind. Zudem entstehen neue Chancen, den Wirkungsgrad von Anlagen durch die Analyse von Leistungsdaten zu erhöhen.
Dezentrale Energieproduktion in Smart Grid-Architektur stellt nicht zuletzt hohe Flexibilitäts- und Sicherheitsanforderungen. Schaltungen in intelligenten Stromnetzen müssen binnen Millisekunden vorgenommen werden. Dafür ist eine hohe Dienstgüte (Quality of Service / QoS) in korrespondierenden Kommunikationsnetzen erforderlich.
Dieser QoS kommt insbesondere beim Mobilfunk eine bedeutende Rolle zu, um zeitkritischen von nicht kritischem Verkehr unterscheiden zu können. Deshalb spielt nicht nur im Energiebereich die Weiterentwicklung zum „taktilen Internet“ und zur nächsten Entwicklungsstufe 5G eine große Rolle.
Dritte digitale Welle: Chemieindustrie und Luftfahrttechnik
Aufgrund von Prozessfertigung weist die chemische Industrie bereits einen hohen Automatisierungsgrad auf. Neue digitale Technologien bringen weitere evolutionäre Verbesserungen: etwa effektivere Entwicklungen, höhere Liefersicherheit oder kleinere und flexiblere Produktionsanlagen.
Die wichtigsten Barrieren für den Einsatz digitaler Technologien in der Luft- und Raumfahrttechnik sind nicht technischer, sondern regulativer Natur. Mehr Vernetzung bedeutet mehr Cyber-Risiken – und für die ist die Luft- und Raumfahrt besonders empfindlich.
Der digitale Wandel im Mittelstand
Im industriellen Mittelstand ist die digitale Transformation längst angekommen. Das bestätigt eine Untersuchung von TÜV Rheinland Consulting in Zusammenarbeit mit Lünendonk und Hossenfelder. Gleichwohl konstatieren die befragten 100 Mittelstandsunternehmen markante Hemmnisse auf ihrem Weg in die digitale Zukunft: unzureichende IT-Infrastruktur, mangelnde Vernetzung, personelle Engpässe, fehlende Expertise und beschränkte Budgets. Ein weiterer genannter Bremsfaktor: Die Geschäftsführung unterschätzt häufig die Möglichkeiten der Digitalisierung.
Wie können mittelständische Unternehmen die digitale Transformation erfolgreich vorantreiben? TÜV Rheinland Consulting bringt es auf den Punkt: „Data is King“. Wer die eigenen Daten versteht und sinnvoll verknüpft, kann innovativer sein und Mehrwerte schaffen, die weit über die bestehende Wertschöpfungskette hinausgehen. Deshalb muss bei den Digitalisierungsambitionen der Firmen die sinnvolle Verwertung von bestehenden Daten ein Kernkriterium sein: Strukturierte, explorative Analysen des Datenbestands führen zu Mehrwert in der Value Chain.
Welche Schritte müssen konkret erfolgen, um den vorhandenen Datenschatz zu nutzen und um sinnvolle Mehrwerte zu schaffen? TÜV Rheinland Consulting empfiehlt einen 5-stufigen Prozess:
- Identifikation der Datenströme und Datenquellen
- Datenverständnis: Woher kommen die Daten? Wie lassen sich die Daten nutzen?
- Tiefergehende Datenanalysen
- Einsatz von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz
- Weiterführendes Umsetzungskonzept mit deutlichen Anforderungen und klaren Vorgaben
Ziel ist es, über diesen gegliederten Prozess den Ist- und Soll-Zustand im mittelständischen Unternehmen zu skizzieren. Darüber hinaus sollen mögliche Anwendungsfelder und konkrete Postulate an Infrastruktur, Prozesse und die Organisation im Allgemeinen herausgestellt werden. So können den Firmen strukturierte und fundierte Entscheidungsgrundlagen geboten werden.
Industrie 4.0 als Basis für die intelligente Fabrik
Industrie 4.0 verzahnt die industrielle Produktion mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnik auf intelligente Weise – das ist das eigentlich revolutionäre des Konzepts. Industrie 4.0 vereint Großproduktion mit individuellen Kundenwünschen – kostengünstig und in hoher Qualität. Die Basis von Industrie 4.0 ist dabei die Smart Factory: In ihr interagieren vernetzte Einheiten – etwa Produktionsroboter, Transportbehälter oder Fahrzeuge – über digitale Schnittstellen eigenständig miteinander. So vereinigen sich die Vorteile der Massenproduktion mit den Ansprüchen der Einzelfertigung.
Wie die Fabrik in der Industrie 4.0 aussieht
Das ist die Vision von Industrie 4.0: Bauteile kommunizieren eigenständig mit der Produktionsanlage, veranlassen bei Bedarf selbst eine Reparatur oder eine Materialnachbestellung. Menschen, Maschinen und industrielle Prozesse vernetzen sich intelligent.
Produkte können nach individuellen Kundenwünschen hergestellt werden: Industrie 4.0 macht es möglich, Einzelstücke zum Preis von Massenware zu produzieren – und das in höchster Qualität. Technische Grundlage hierfür sind intelligente, digital vernetzte Systeme und Produktionsprozesse. Industrie 4.0 bestimmt dabei die gesamte Lebensphase eines Produktes: von der Idee über die Entwicklung, Fertigung, Nutzung und Wartung bis hin zum Recycling.
In der intelligenten Fabrik der Industrie 4.0 koordinieren intelligente Maschinen selbstständig Fertigungsprozesse; Service-Roboter unterstützen Menschen in der Montage bei schweren Arbeiten, fahrerlose Transportfahrzeuge kümmern sich eigenständig um Logistik und Materialfluss. Vernetzung findet aber nicht nur innerhalb der Smart Factory statt, sondern über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg: zwischen verschiedenen Akteuren der Wirtschaft; vom mittelständischen Logistikunternehmen über spezialisierte technische Dienstleister bis hin zu kreativen Start-ups.
IIoT für effizientere Produktionsprozesse
Das Industrial Internet of Things (IIoT) stellt die industrielle Ausprägung des Internet of Things (IoT) dar. Es repräsentiert im Gegensatz zum IoT nicht die verbraucherorientierten Konzepte, sondern konzentriert sich auf die Anwendung des Internets der Dinge im produzierenden und industriellen Umfeld. Die IIoT-Technologie hat hauptsächlich die Aufgabe, Produktionsprozesse zu steuern und zu überwachen. Eine zentrale Rolle spielen Sensoren und Sensordaten, welche die Datenbasis für die Automation und selbstlernenden Maschinen liefern.
IIoT benötigt Big Data-Technologien
Der Grundgedanke hinter dem Industrial Internet of Things ist ebenso einfach wie bestechend: Smarte Maschinen sind schneller, exakter, kostengünstiger und effizienter als der Mensch. Da für die Realisierung des IIoT große Datenmengen anfallen und diese in hoher Geschwindigkeit zu verarbeiten sind, spielen Big Data-Technologien und -Anwendungen eine wichtige Rolle.
Das industrielle Internet der Dinge kombiniert zwei verschiedene Welten:
- Cyber-Physische Systeme in der Fertigung, etwa Sensoren, eingebettete Systeme in Maschinen und deren Komponenten, die über industrielle Kommunikationskanäle Daten für den Betrieb empfangen und aus dem Betrieb liefern
- IT-Systeme für das Management des Produktlebenszyklus, zur Ressourcen-Planung, Kundenauftragsverwaltung oder als Entscheidungsunterstützung.
Viele IoT- und IIoT-Lösungen sind Cloud-basiert. Das erleichtert den vernetzten Betrieb: Industrie-und Fabrikationsunternehmen erhalten so die Möglichkeit, Daten von angeschlossenen Sensoren und Geräten einfach zu erfassen. Diese Daten können wiederum mit Daten und Informationen aus Geschäftssystemen und von Mitarbeitern kombiniert werden. Solchermaßen umfassende Transparenz ermöglicht Anpassungen und Optimierungen in Echtzeit. Entscheidungen können mit Bezug auf die IoT-/IIoT-Quellen, deren Umfeld oder auf ein ganzes System verifiziert und präzisiert werden.
Industrielle Anforderungen an IoT-Systeme
- Hohe Bandbreite, um Daten in der erforderlichen Menge und Geschwindigkeit zu übertragen
- Niedrige Latenzzeiten, damit auch echtzeitrelevante Prozesse effizient ablaufen können
- Standard-Datenformate, damit die vielen Geräte unterschiedlicher Hersteller miteinander kommunizieren und deren Daten integriert werden können
- IT-Sicherheit, um Know-how-relevante Daten vor unbefugtem Zugriff und Geräte vor unzulässigem Zugang zu schützen
- Hohe Verfügbarkeit der Services, z.B. der Berechnung von Key Performance Indicators (KPI) wie Taktzeiten oder Stillstände, damit diese den Anwendern permanent zur Verfügung stehen
IIoT-Technologien in verschiedenen Bereichen
Fertigung – In dieser Branche wird die IIoT-Technologie derzeit am häufigsten angewendet. IIoT-fähige Maschinen überwachen sich selbst und sagen mögliche Probleme vorher. Auf diese Weise werden Ausfallzeiten reduziert, die Effizienz wird insgesamt gesteigert.
Lieferkette – Mit Sensoren für die Bestandsverwaltung sorgt IIoT-Technologie für die Nachbestellung von Waren, bevor diese ausgehen. So fällt in der Regel weniger Abfall an, die tatsächlich benötigten Waren sind auf Lager, und die Mitarbeiter können sich auf andere Aufgaben konzentrieren.
Gebäudemanagement – IIoT-Technologie vereinfacht das Gebäudemanagement und macht es sicherer. Zu den Anwendungen zählen sensorgesteuerte Klimaanlagen und Geräte, die Eingangsbereiche von Gebäuden überwachen und eine schnelle Reaktion auf potenzielle Gefahren ermöglichen.
Die Vorteile des Industrial Internet of Things
Durch eine konsequente Umsetzung der Konzepte und Technologien des Industrial Internet of Things ergibt sich eine ganze Reihe von Vorteilen:
- Höhere betriebliche Effizienz und Kostensenkung in der Produktion und beim Transport von materiellen Gütern
- Erschließen von neuen Geschäftsfeldern, Realisierung neuer Geschäftsmodelle
- Beschleunigung und Automatisierung von Produktionsprozessen auf Basis der erhobenen und verarbeiteten Daten
- Flexible Anpassung von Produktionsprozessen an sich verändernde Anforderungen in Echtzeit im laufenden Betrieb
- Weniger Störungen und Produktionsunterbrechungen
- Steigerung des Durchsatzes und der Produktionskapazität
- Verbesserte Sicherheit für Mensch und Maschinen in der Produktionsumgebung
IIoT-Technologien und -Konzepte im Überblick
Digitale Zwillinge: die Methodik, ein Computermodell für ein Objekt zu erstellen, z. B. für eine Maschine, ein menschliches Organ oder einen Vorgang wie das Wetter. Das Verhalten des Zwillings wird untersucht, sodass es möglich wird, das Agieren des physischen Gegenstücks zu verstehen und vorherzusagen. So lassen sich Probleme angehen, bevor sie auftreten.
Electronic Logging Device (ELD): Sensoren in Fahrzeugen überwachen die Fahrgeschwindigkeit, Fahrzeit und häufig auch die Bremsennutzung. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, dass Kraftstoff gespart, die Sicherheit für Fahrer erhöht und ungenutzte Ressourcen reduziert werden. Bei gefährlichen Manövern oder Überschreitung der Lenkzeit wird der Fahrer alarmiert und etwa der Fahrdienstleiter informiert.
Edge Computing
Intelligent Edge: die Stelle am Netzwerkrand, an der Daten generiert, analysiert, interpretiert und verarbeitet werden. Unternehmen, die den Intelligent Edge nutzen, können Analysen schneller durchführen. Außerdem sinkt die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass die Daten abgefangen werden oder es zu sonstigen Datenschutzverletzungen kommt.
Predictive Maintenance oder auch vorausschauende Wartung ist definiert als Ableitung von Wartungsinformationen auf Basis von Live-Maschinen- und -Produktionsdaten, um Maschinen und Anlagen proaktiv zu warten, bevor es zu Stillständen oder Qualitätsverlusten kommt.
Radio Frequency Identification (RFID): eine aufwändigere und intelligentere Version der Barcode-Technologie. Reader identifizieren RFID-Tags mithilfe von Radiowellen. Die Tags können von mehreren Readern gleichzeitig und über längere Distanzen als mit traditionellen Universalnetzteilen gelesen werden. RFID-Tags ermöglichen die einfache Verfolgung und Überwachung der zugehörigen Objekte.
Mit RPA für Entlastung der Anwender sorgen
Unter Robotic Process Automation (RPA) versteht man die automatisierte Bearbeitung von strukturierten Geschäftsprozessen durch digitale Software-Roboter. Diese innovative Technologie ermöglicht die Automatisierung sich wiederholender und regelbasierter Prozesse und Aufgaben, die von Menschen ausgeführt werden. Bei dieser robotergesteuerten Prozessautomatisierung übernehmen die Software-Roboter (Bots) die Rollen und Aufgaben von Anwendern und interagieren mit anderen Softwaresystemen.
Mit RPA-Technologien sind vielfältige Szenarien zur Erhöhung von Qualität sowie Produktivität schnell identifiziert und umgesetzt, Mitarbeiter werden von repetitiven Tätigkeiten entlastet. Die Folge: höhere Effizienz der Arbeitsabläufe, deutliche Kosteneinsparungen, wesentliche Wettbewerbsvorteile für mittelständische Unternehmen.
Smart Data in industrieller Anwendung
Herausforderung: Der Ausfall von Industrieanlagen führt innerhalb kurzer Zeit zu massiven Umsatzeinbußen. Energie-Blackouts sind nicht vorhersehbar, weil es keine systematisierte Kontrolle über Defekte und Sicherheitsfragen gibt. Kritische Infrastrukturen sind nicht per se digitalisiert. Die allgemeine Versorgungssicherheit ist unter Umständen gefährdet.
Lösung: Predictive Maintenance verfolgt den vorausschauenden Ansatz, bei dem Maschinen und Anlagen proaktiv und auf Basis dauerhaft erhobener Daten gewartet werden. Essenzielle Voraussetzung dafür ist die umfassende Datenerfassung in der Produktion bzw. der kritischen Infrastruktur. Die Messdaten stammen aus Maschinen und Anlagen. Sensoren in Maschinen und Fabrikanlagen senden Daten über Vibrationen, Laufgeräusche oder Temperatur in die Cloud, wo sie ausgewertet und auf sich möglicherweise ankündigende Probleme hin untersucht werden.
Die Turbinen in einem Kraftwerk haben z. B. ein regelmäßiges akustisches Muster, das sich bei Veränderungen in ihrer Struktur ebenfalls verändert. So ist es möglich, Materialermüdung frühzeitig anhand der veränderten Schallsignatur zu erkennen. In Ableitung aus diesen Daten lassen sich die Wartungsintervalle der einzelnen Bauteile und Maschinen bestimmen. Damit werden Ausfallrisiken effektiv verkürzt und reduziert.
Einbindung von intelligenten Geräten in Steuerungsprozesse
mit verschiedenen Sensoren – etwa Geosensoren, Gyroskopen, Temperaturfühler oder auch Kameras – ausgerüstet sind. Mit solchem Equipment lässt sich die richtige Information zur richtigen Zeit und vor allem am richtigen Ort zur Verfügung stellen.
Die Einbindung geeigneter intelligenter Geräte in die Unternehmensabläufe erfordert ein stringentes Konzept, das vor allem diese Anforderungen einlösen muss:
- die Verarbeitung der Sensorik
- die Entwicklung von Apps
- die Einbindung in übergeordnete Planungs- sowie Steuerungsprozesse
- die zugehörige technische Infrastruktur
Der tatsächliche Nutzen und Erkenntnisgewinn muss für jede Branche und jedes Unternehmen individuell abgewogen werden – und zwar bevor riesige Datenberge angehäuft werden. Erst diese Relevanz-Reflexion offenbart das eigentliche Potenzial der smarten Devices.
Beispiel für effiziente und smarte Bedienlösung
Das ist gängiger Alltag im Produktionsbetrieb: Der Maschinenbediener muss sich erforderliche Informationen zumeist auf Papier aus verschiedenen Quellen besorgen, um für anfallende Aktionen gewappnet zu sein. Und so funktioniert der moderne Ablauf: Apps liefern dem Bediener die notwendigen, kontextspezifischen Informationen zum richtigen Zeitpunkt. Dadurch weiß er jederzeit, welche Aufgabe als nächstes zu erledigen ist, um die Produktion am Laufen zu halten.
Auf dem Smartphone werden ihm zusätzlich detaillierte Beschreibungen und Handlungsanweisungen angezeigt. Alternativ wird eine Smart Watch eingesetzt. Mit dem Vorteil, dass der „Maschinist“ beide Hände für seine Aufgaben frei hat und durch Vibrationsalarm trotzdem unmittelbar benachrichtigt wird. Eingesetzte Apps sind idealerweise für beide Gerätetypen optimiert.
Die skizzierte Lösung nutzt Daten in Produktionsanlagen, die entweder über spezifische Schnittstellen von Maschinen oder einem MES-System (Manufacturing Execution System) zur Verfügung gestellt werden. Eine zentrale Server-Applikation übernimmt die Datenaufbereitung und stellt die aggregierten Informationen in erforderlicher Form über Interfaces allen mobilen Geräten zur Verfügung. Diese Server-Software kann sowohl auf lokaler Server-Hardware in der Produktionsanlage, als auch auf Cloud-Servern betrieben werden.
Diskrete Fertigung in der digitalen Ära
Als diskrete Fertigung bezeichnet man eine Produktionsumgebung, in der Produkte als abzählbare Einheiten (Stück) hergestellt werden. Aus Rohstoffen und Materialien – aber auch aus zugelieferten Komponenten – entstehen neue Produkte. Typische diskrete Fertiger sind Industrieunternehmen, beispielsweise aus den Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Serienfertigung, Fahrzeugbau oder Automotive.
Das Gegenteil von diskreter Fertigung ist die Prozessfertigung. Hier werden unter anderem Flüssigkeiten, Gase, Gemische oder Granulate auf Basis von Rezepturen produziert bzw. verarbeitet. Beispiele für prozessorientierte Fertigung sind Chemie- und Pharma- sowie die Nahrungsmittelindustrie.
Die Hauptkategorien der diskreten Fertigung
Neben der Massen-, Sorten- bzw. die Chargenfertigung wird die diskrete Fertigung in drei Hauptkategorien unterteilt:
In der Einzelfertigung ist jedes Produkt ein Unikat, das individuell konstruiert und fabriziert wird. Das bedeutet natürlich, dass sich die Herstellung dieser Produkte oft über einen sehr langen Zeitraum hinzieht. Einzelfertigende Unternehmen brauchen also auch einen entsprechend langen Planungshorizont. Beispiele hierfür sind komplexe Produkte wie Schiffe, individuelle Maschinen oder andere Anlagen.
In Serienfertigung stellen Unternehmen eine hohe Anzahl identischer Produkte her. Dabei sind Serienfertiger Teil einer größeren Zuliefererkette mit Kunden und Lieferanten. Damit diese Unternehmen wirtschaftlich arbeiten können, müssen sie ihre eigenen Prozesse gut im Griff haben und diese auch mit den anderen Unternehmen in der Kette genau abstimmen. Beispiele für Serienfertigung sind Konsumgüter wie Suppenschüsseln oder Toaster, aber auch Autos oder Standardmaschinen.
In Variantenfertigung entstehen Produkte unter der Maßgabe, Modularität und (Teil-) Individualisierung der Erzeugnisse unter Beibehaltung weitgehender Standardisierung zu ermöglichen. Für Unternehmen entsteht aber mit jeder Variante mehr Planungsaufwand. Sie müssen mit mehr Materialien hantieren, mit kleineren Stückzahlen planen und die Nachfrage für ihre verschiedenen Varianten gut einschätzen können. Beispiele für Variantenfertigung sind Küchen, Einrichtungsgegenstände oder Ventile.
Wie eine diskrete Fertigung in Praxis abläuft
Erstens: Fertigungsauftragserstellung
- Die diskrete Fertigung beginnt mit der Eröffnung und Bearbeitung eines Fertigungsauftrags. Das erfolgt entweder durch Umsetzen eines in der Produktions- und Beschaffungsplanung erzeugten Planauftrags oder durch manuelles Anlegen.
- Das Eröffnen eines Fertigungsauftrages erzeugt automatisch Materialreservierungen für die benötigten Materialkomponenten. Für fremd zu beschaffende Materialkomponenten bzw. Dienstleistungen werden Bestellanforderungen erstellt. An den Arbeitsplätzen, an denen der Auftrag durchgeführt wird, entstehen Kapazitätsbelastungen.
- Parallel zur Bearbeitung des Fertigungsauftrags kann zur Ermittlung der Plankosten eine Vorkalkulation durchgeführt werden.
- Die Fertigungsaufträge werden bei Erreichen des Freigabetermins und bei vorhandener Material- und Kapazitätsverfügbarkeit freigegeben. Zur Vorbereitung der Durchführung werden die entsprechenden Papiere des Fertigungsauftrags ausgedruckt.
Zweitens: Kapazitätsplanung
Die Auswertung der Kapazitätssituation und den gegebenenfalls notwendigen Kapazitätsabgleich kann man in jeder Phase der Fertigungsauftragsabwicklung durchführen. In der Regel geschieht dies jedoch, bevor mit der Fertigung begonnen wird.
Drittens: Fertigungsdurchführung
Die zur Produktion der Endprodukte benötigten Komponenten werden zum Fertigungsauftrag entnommen, der Warenausgang wird gebucht. Das gewünschte Endprodukt wird anhand des Fertigungsauftrags produziert. Die erzeugte Menge und die benötigten Zeiten werden dem Fertigungsauftrag zurückgemeldet. Die Endprodukte werden auf Lager gelegt, und der Wareneingang wird gebucht.
Viertens: Qualitätsprüfung in der Produktion
- Produktionsbegleitende Prüfung
- Q-Prüfung beim Wareneingang aus der Produktion
- Interne Qualitätsmeldungen
Wie ERP die diskrete Fertigung unterstützt
Ziel einer professionellen Enterprise Resource Planning (ERP)-Software ist es immer, alle unternehmenskritischen Prozesse ganzheitlich abzubilden. Und genau so unterschiedlich verläuft auch die Auswahl eines geeigneten kaufmännischen Standardsystems. Bei Unternehmen der diskreten Fertigung ist der Produktionsprozess maßgeblich für den Erfolg verantwortlich – aber dazu gehören eben auch alle vor- und nachgelagerten Prozessabläufe: von der Produktentstehung in der Konstruktion, bis hin zur späteren Kostenrechnung in der Buchhaltung.